Gelungene Stellen in Beethovens 6. Symphonie
Der französische Komponist Hector Berlioz hat Beethoven sehr bewundert. Damit war er zwar nicht allein. Aber er hat schon bald mehr über Beethoven geschrieben als viele andere seiner Komponistenkolleg:innen. Besonders gern mochte er Beethovens Symphonie Nr. 6, die Pastorale.
Sie hat in Berlioz‘ Symphonie fantastique ihre Spuren hinterlassen. Berlioz hat eine ausführliche Analyse über Beethovens Sechste verfasst. Und in seiner Instrumentationslehre hat Berlioz an drei Stellen aus dieser Sechsten gezeigt, wie Instrumente dazu verwendet werden können, programmatische Effekte zu erzielen.
Was nützen Bass, Oboe, Piccoloflöte?
Auf die Kontrabässe hört Berlioz zum Beispiel im vierten Satz. Das tiefe Rumpeln schätzt der französische Komponist: Nicht alle Noten sind dabei deutlich zu hören. Aber im Endeffekt dem tosenden Unwetter geben die Bässe mit ihren akribisch notierten Sechzehntelketten doch eine grundsolide Basis! Nicht umsonst heißt der Satz Gewitter. Sturm.
Im Beispiel unten streichen die Kontrabässe kraftvoll und sehr präzise, es sieht wirklich unglaublich gewandt aus ca. ab Minute 30:00:
Wie sich die Oboe freuen kann, hat Beethoven oben ab Minute 25:00 genutzt.
Und wie der Wind pfeift, hört man gut im schneidenden Ton der Piccoloflöte, im Beispiel u. a. ab Minute 31:00.
Klangfarbenwundermaschine
Solche Klangfacetten im Konzertsaal jedesmal deutlich herauszuhören, ist deswegen nicht unbedingt ein Selbstläufer, weil ein modernes Symphonieorchester geradezu eine Klangfarbenwundermaschine ist.
Hector Berlioz beschreibt es in seiner Instrumentationslehre so:
Das Orchester kann als ein großes Instrument angesehen werden, das fähig ist, mit einem Male oder nach und nach eine Menge von Tönen verschiedenartiger Natur hören zu lassen, und dessen Gewalt mäßig oder riesenhaft ist, je nachdem […] Die Ausführenden aller Art, die zusammen das Orchester bilden, scheinen alsdann die Saiten, die Rohre, die Gehäuse, die hölzernen oder metallenen Resonanzböden zu sein, – mit Verstand begabte Maschinen, welche der Wirksamkeit einer riesenhaften Klaviatur gehorchen, die vom Orchesterdirigenten unter Leitung des Komponisten gespielt wird. [Hervorhebung von mir, M. P.]
Die Besetzung verkleinern, damit der Klang transparent wird
Um ein Gespür dafür zu bekommen, wie subtil diese Klangfarbenmaschine arbeitet, kannst du dir eine Fassung der Pastorale anhören, die ganz auf Blasinstrumente verzichtet. Auch ein Kontrabass kommt nicht vor.
Alle oben genannten Beispiele werden in der Sextettfassung unten also in anderer Instrumentation gespielt. Die Kontrabass-Stelle übernimmt unten ab Minute 28:50 allein das Cello. Ca. ab Minute 30:00 fehlt der Klang der Piccoloflöte, wie überhaupt vorher das Volumen des gesamten Orchesters.
Die Oboenfreude überzeugt mich auch in den Streichinstrumenten, ab Minute 23:50:
Der vierte Satz, aus dem Berlioz zwei Beispiele gewählt hat, ist der Teil des Sextetts, in dem die Unterschiede zwischen Orchesterversion und Kammerfassung besonders auffallen. Das Orchester stürmt einfach wilder als die sechs Streicher allein.
Ansonsten hat Michael Gotthard Fischer, der Arrangeur, erstaunlich viel von Beethovens Symphonie auf wenigen Instrumenten eingefangen.
Durchbrochene Instrumentation
Vieles fehlt trotzdem. Eine Technik, für die Beethovens Symphonien bekannt geworden sind, ist im Sextett nicht gut möglich: Gleich am Anfang der Symphonie gibt es Passagen, in denen sich ähnliche Figuren immer wieder wiederholen. In der Sextettfassung klingen diese Passagen etwas eintönig. In der Orchesterversion blüht der Ensembleklang förmlich auf, wenn er durch die vielen Instrumentengruppen hindurchgereicht wird.
Um diese Technik der durchbrochenen Instrumentation mithören zu können, genügt es, wenn du dir ca. die jeweils erste Minute des ersten Satzes der beiden Fassungen im Vergleich anhörst.
Insgesamt macht das Sextett Strukturen transparent, die im Orchesterklang manchmal ein wenig untergehen – aber das kann ja auch sehr schön sein.
Viel Spaß dabei!