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Der Tastenlöwe aus Raiding

Franz Liszt und die Années de Pèlerinage

Franz Liszt wurde 1811 in Raiding im heutigen Bezirk Oberpullendorf im österreichischen Burgenland geboren. Er war ein Bub vom Dorf, der als phänomenal begabter Pianist schon in ganz jungen Jahren das Publikum auch in Wien und Paris in seinen Bann zog. Ihn zog es später in die Schweiz und nach Italien. Von diesen Wanderungen handeln Liszts Années de Pèlerinage für Klavier solo.

Franz Liszt, sitzend, im doppelreihigen dunklen Jackett, auf einer Fotografie von Herman Biow, von 1843, ein Jahr nachdem viele der Stücke aus dem ersten Band der Années de Pèlerinage erstmals erschienen sind.
Franz Liszt 1843 auf einer Fotografie von Herman Biow, Public domain, via Wikimedia Commons

Fast zwei Jahrzehnte residierte Liszt ab 1843 in Weimar. Gestorben ist er 1886 im beschaulichen Bayreuth. Zu seinem Requiem in der dortigen Schlosskirche spielte Anton Bruckner die Orgel.

Liszts Vater und Joseph Haydn

Franz Liszts Vater Adam war ein begeisterter Amateurmusiker. Und er muss auch ein fähiger Instrumentalist gewesen sein, half er doch als Cellist im Orchester des Fürsten Esterhazy in Eisenstadt aus, das Jahrzehnte lang von Joseph Haydn geleitet worden war. Mit dem alten Haydn soll Liszts Vater hin und wieder Karten gespielt haben.

Im Jahr 1808 wurde Adam Liszt ins damals ungarische Raiding versetzt. Das war ein Aufstieg auf der Karriereleiter: Denn er wurde Schäfereirechnungsführer des Fürsten Esterhazy. Von Raiding aus aber konnte er nicht mehr im zu weit entfernten Eisenstadter Orchester spielen. Und das war ein herber Schlag für ihn.

Allerdings sollte sich sein Sohn Franz sehr bald als ein über die Maßen musikalisches Kind zu erkennen geben. Er kam am 22. Oktober 1811 auf die Welt, nachdem Adam im Januar desselben Jahres die Bäckerstochter Anna Lager geheiratet hatte.

Erste Ausbildung und Unterricht bei Carl Czerny

Wohl auch zum Trost über das verlorene Eisenstadt machte Adam Liszt daheim regelmäßig Hausmusik. Sie gehörte ebenso zu Franz Liszts ersten musikalischen Eindrücken wie der Klavierunterricht beim Vater und die Sonntagsmesse, die die Familie regelmäßig besuchte.

Bald merkt Adam, dass der kleine Franz von ihm als Lehrer auf die Dauer nicht mehr viel wird lernen können. Er wendet sich an den Fürsten Nikolaus II. Esterhazy und bittet ihn darum, nach Wien übersiedeln zu dürfen, was der Fürst zunächst ablehnt.

Einige erfolgreiche Konzerte in adliger Gesellschaft später erhält Liszt die Erlaubnis, ein Jahr Urlaub zu nehmen, und daraufhin zieht er mit der ganzen Familie nach Wien, wo der Beethoven-Schüler Carl Czerny Franz Liszts Lehrer wird.

Czerny erinnert sich an seinen Eindruck von dem kleinen Musiknerd, der ihm da von dessen Vater vorgeführt wurde:

»Es war ein bleiches, schwächlich aussehendes Kind, und beim Spielen wankte es am Stuhle wie betrunken herum, so daß ich oft dachte, es würde zu Boden fallen. Auch war sein Spiel ganz unregelmäßg, unrein, verworren, und von der Fingersetzung hatte er so wenig Begriff, daß er die Finger ganz willkürlich über die Tasten warf. Aber dem ungeachtet war ich über das Talent erstaunt, welches die Natur in ihn gelegt hatte.«

Aber nicht nur talentiert, sondern auch außerordentlich fleißig war Franz Liszt. Und so erinnerte sich Carl Czerny später in höchsten Tönen:

»Nie hatte ich einen so eifrigen, genievollen und fleißigen Schüler gehabt. Da er jedes Tonstück äußerst schnell einstudieren mußte, so eignete er sich das Avista-Spielen endlich so an, daß er fähig war, selbst bedeutende, schwierige Kompositionen öffentlich vom Blatte weg zu spielen, als ob er sie lange studiert hätte.«

Große Erfolge nicht nur in Paris

Es dauerte nicht lange und Adam Liszt wurde klar, dass er mit der Familie nicht nach Raiding zurückkehren würde. Das nächste Ziel war Paris, neben Wien und London die Musikhauptstadt der damaligen Zeit, ein teures Pflaster, dessen Sprache die Familie allerdings eher leidlich als ohne jede Mühe sprach.

Den Ehrgeiz von Franz Liszts Vater deutlich macht der Adressat, dem Adam seine nächste Bitte um Unterstützung schickt. Hatte er sich um die Zeit in Wien bei seinem Vorgesetzten Nikolaus II. Fürst von Esterhazy beworben, wendet er sich jetzt an den Fürsten von Metternich persönlich, um ihn um Förderung der vorgesehenen Reise zu bitten.

Und man weiß im ersten Moment nicht, worüber man sich mehr wundern soll: darüber, dass Adam Liszt, der Schäfereirechnungsführer in Raiding, sich aus Wien an Metternich wendet, der von 1806 bis 1809 Botschafter von Paris gewesen ist, oder darüber, dass letzterer, der seit dem Wiener Kongress 1815 zu den einflussreichen Politikern Europas gehörte, Adam Liszts Bitte unterstützte.

Als die Familie Liszt am 11. Dezember 1823 in Paris eintraf, war sie per Empfehlungsschreiben bereits in den österreichischen Botschaften in Paris und London vorangekündigt worden.

In der französischen Hauptstadt fasste der junge Liszt sehr schnell Fuß. Zwar verweigerte ihm Cherubini, der Direktor des Pariser Conservatoire, die Aufnahme in diese ehrwürdige Institution, da dort vorschriftsgemäß nur Franzosen studieren durfte. Aber stattdessen engagierte Liszts Vater hochrangige Privatlehrer.

Die Kritiken zu Franz Liszts Konzerten waren glänzend. Er wurde als neuer Mozart gefeiert. Bald entspann sich eine Zusammenarbeit mit der Klaviermanufaktur Érard und mindestens Liszts Vater konnte sich auch über die großen finanziellen Erfolge freuen, die die Auftritte seines Sohns inzwischen mit sich brachten.

Auf sich allein gestellt

»Und Anna Liszt?« fragt Oliver Hilmes in seiner Biografie des Komponisten. Weiter schreibt er:

»Sie lebte in all den Jahren im Hintergrund, für den Biographen ist sie nahezu unsichtbar. Wir wissen nur sehr wenig über ihre erste Zeit in Paris, zumal Adam sie in seinen Briefen fast nie erwähnt. War Frau Anna der Umzug von Raiding nach Wien schon schwergefallen, hatte sie nun in der fremden Großstadt oft Heimweh. Sie war eine einfache Frau, die … nun Französisch lernen musste. Man kann sich gut vorstellen, dass die Erledigung alltäglicher Besorgungen mitunter große Herausforderungen darstellten.«

Sie war ja nicht aus eigenem Antrieb nach Paris übergesiedelt, sondern hatte sich dem Willen ihres Mannes untergeordnet, der für sie und den gemeinsamen Sohn entschieden hatte, dass Paris für die geplante Laufbahn des Sprösslings die beste nächste Station sein würde.

Es waren für die ganze Familie außerordentlich intensive Jahre. Außer den Konzerten in Paris unternahmen Vater und Sohn Liszt in den kommenden beiden Jahren gleich zwei Tourneen nach England, und auch im Jahr 1826 wurde das Pensum mit Konzerten in verschiedenen französischen Städten sowie in Genf und Luzern nicht geringer.

Für Franz Liszt kam es schließlich zur Katastrophe: Seine Mutter war bereits im Herbst 1825 zu ihrer Schwester nach Graz gezogen. Dorthin schrieb Franz der Mutter im Sommer 1827 in einem Brief, den der Vater aus gesundheitlichen Gründen bereits nicht mehr selber schreiben konnte: Um den Vater stehe es schlecht.

Möglich, dass er an Typhus litt. Er war jedenfalls ernstlich erkrankt, so schwer, dass er, mit 50 Jahren, am 28. August 1827 in Boulogne-sur-Mer starb. Für den 15-jährigen Franz Liszt, dem der Vater ein zuverlässig streng fordernder Förderer gewesen war, brach eine Welt zusammen.

Suche nach Orientierung und die Années de Pèlerinage (I)

Für ihn begannen viele Jahre, in denen er Anschluss und Orientierung suchte. Eine tiefgreifende schulische Ausbildung hatte er nicht erhalten. Und nur weil er mit seinen inzwischen 15 Jahren als alterndes Wunderkind am Klavier große Erfolge gefeiert hatte, würde er sich nicht dauerhaft auf dem hart umkämpften französischen Musikmarkt etablieren können, zumal Franz Liszt, der für seine Improvisationen berühmt war, sich als Komponist erst noch ein gutes Ansehen erarbeiten musste.

Liszt litt sehr unter seiner Situation. Er zog sich aus dem Konzertleben zurück, begann sich in religiöse, philosophische und belletristische Literatur zu vertiefen, er knüpfte Kontakte zu führenden Künstlern in Paris, denen er sich unterlegen fühlen musste – trotz seiner Fähigkeiten auf dem Klavier -, er entdeckte seine katholischen Neigungen wieder und verstrickte sich gleichzeitig in Liebschaften zu verschiedenen, teils gesellschaftlich hochrangigen Damen.

Mit der verheirateten Gräfin Marie d’Agoult geht Liszt schließlich eine Liebesbeziehung ein. Die beiden werden mehrere Kinder zusammen bekommen. Liszt ist aber zu sehr dem gesellschaftlichen Leben und vor allem auch anderen Frauen zugewandt, als dass die Beziehung zu Gräfin d’Agoult dem auf Dauer gewachsen ist.

Mitte der 1830er Jahre leben Franz Liszt und seine Lebensgefährtin Marie d’Agoult in der Schweiz, wo bald auch das erste gemeinsame Kind geboren wird.

In seinem Album d’un Voyageur, das er in diesen Jahren komponiert hat, hat Liszt Reiseeindrücke aus jener Zeit verarbeitet. Viele Jahre später werden diese Stücke Eingang in den ersten Band von Franz Liszts Komposition Années de Pèlerinage finden, der sich u. a. mehreren Orten in der Schweiz widmet.

Lazar Berman spielt Liszts Années de Pèlerinage.

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