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Durchblicken mit Robert Schumann

Robert Schumanns 4. Symphonie

Robert Schumanns 4. Symphonie war mal seine zweite. Er hat sie ursprünglich noch 1841, kurz nach der ersten, der sog. »Frühlingssymphonie«, komponiert.

Robert Schumann im Jahr 1839 (Lithographie), portraitiert von Josef Kriehuber
Robert Schumann, portraitiert von Josef Kriehuber, 1839

Uraufgeführt wurde die heute Vierte ebenfalls deutlich vor Schumanns Symphonien Nr. 2 und 3. Dass Schumanns chronologisch Zweite als Vierte bekannt geworden ist, liegt daran, dass der Komponist sie zehn Jahre nach ihrer Uraufführung während seiner Zeit in Düsseldorf für die dortigen Gegebenheiten noch einmal überarbeitet hat.

Schumanns Symphonien in Leipzig 1841

Die Erste hatte bei der Uraufführung in Leipzig im Frühjahr 1841 sehr erfolgreich Felix Mendelssohn Bartholdy dirigiert. Die Premiere der Zweiten übernahm Ende 1841 der Geiger Ferdinand David. Er war unter dem Gewandhauskapellmeister Mendelssohn eigentlich Konzertmeister des Orchesters, saß also als Stimmführer ganz vorne in den Ersten Geigen.

Schumanns Zweite kam damals nicht so gut an wie seine überaus erfolgreiche Erste. Und das hat mehrere Gründe: Schumann war bislang vor allem als Komponist von Klavierwerken bekannt. Seine Zweite dirigierte bei der Uraufführung nicht Mendelssohn selbst. Manche Kritiker (ausschnittsweise zu lesen z. B. hier) fanden die Symphonie formal unausgereift. Vor allem spielten im Konzert ihrer Uraufführung in einem anderen Programmpunkt Roberts Frau Clara Schumann und der mindestens gleichermaßen berühmte Franz Liszt gemeinsam das publikumswirksame Hexameron (von mehreren Komponisten) für 2 Klaviere (genauere Infos hier).

Ich denke, dass es außerdem der große Erfolg der Ersten war, der der Monate später uraufgeführten zweiten Symphonie noch einmal zusätzlich gründlich im Weg stand. Aber es ist natürlich einfach, das im Nachhinein und aus heutiger Sicht so zu vermuten.

Heute werden jedenfalls beide Fassungen gerne gespielt Und auch diese Wertschätzung hat Tradition: Schon Johannes Brahms hat sich für Schumanns Erstfassung der Zweiten eingesetzt. Clara Schumann bevorzugte auch mit Rücksicht auf ihren Ehemann die Zweitfassung, noch nachdem Robert Schumann längst gestorben war.

Ein Blick in die Vierte

Der erste Satz der 4. Symphonie beginnt nach dem Hallo-jetzt-gehts-los-Akkord mit einer Kette von Motiven aus je sechs zusammenhängenden Tönen, die insgesamt einen ruhig dahinfließenden melodischen Bogen vorstellen: Das ist ganz unkomplizierte Musik, harmonisch unaufwändig. Schumann nutzt die einfach strukturierten melodischen Linien, um den Klangcharakter der beteiligten Instrumente und die Stimmung des Ganzen wirken zu lassen.

Motivisch auffällig ist Folgendes: Die erste oben erwähnte Figur aus sechs Tönen recycelt Schumann gleich zu Beginn des lebhaften Teils. Vergleiche doch mal den Moment ab Minute 0:06 (die ersten sechs schön gebundenen Melodietöne) mit der Passage ab Minute 1:44 (Du kannst auf das Zahnrad klicken und die Wiedergabegeschwindigkeit der schnellen Passage drosseln, dann wird es deutlicher) – fünf der sechs Töne benutzt Schumann im schnellen Teil einfach genau wie im langsamen nochmal – in Tempo, Rhythmus und Charakter aber wirkt das Thema runderneuert:

John Eliot Gardiner dirigiert den 1. Satz aus Robert Schumanns 4. Symphonie.

Motivbezüge wie den oben genannten gibt es in der gesamten Symphonie häufiger. Phasenweise bekommt man den Eindruck, dies oder das schon einmal gehört zu haben, aber genau weiß man es nicht. Und dieser Eindruck kommt u. a. daher, dass Schumann z. B. in den Motiven des ersten Satzes mit ganz grundlegenden, kleinen, den Grundtönen der Tonleiter entliehenen Bausteinen arbeitet. Das sind Bausteine fast, die man kaum nicht verwenden kann, wenn man irgendeine Art von musikalischem Zusammenhang herstellen will.

Nicht immer sind die Motive – abstrakt und bruchstückhaft, wie sie sind -, am Ende tatsächlich verwandt. Aber Robert Schumanns Vierte lebt vielleicht genau von dieser Unschärfe.

Manchmal fragt man sich: Kenn ich das? Und nicht immer ist es so eindeutig wie unten im zweiten Satz ab Minute 0:41. Dort zitiert Schumann den Beginn des ersten Satzes:

John Eliot Gardiner dirigiert den 2. Satz aus Robert Schumanns 4. Symphonie.

Wiederkehr im Finale

Die Sätze in dieser Symphonie gehen ineinander über, was sehr schön ist vor allem zu Beginn des vierten Satzes. Unten im Video ist zu hören, dass der Beginn dieses Schlusssatzes im Grunde stufenlos aus dem dritten Satz heraus geschieht. Es ist wahrscheinlich eine der schönsten Stellen in der symphonischen Literatur, die ich kenne: die Spannung, die Lebendigkeit, der Stolz, die Freude, das Selbstbewusstsein, die Klangpracht (Blechbläser!), der Drang nach vorn etc. etc. – das Ganze klingt wie aus einer anderen Sphäre her kommend.

Und hörst Du zum Beispiel ab Minute 0:20, wie Robert Schumann neuerlich das Anfangsmotiv aus dem langsamen Beginn des Kopfsatzes dieser Symphonie wiederverwendet? Er zitiert es nicht vollständig. Es ist Teil einer es umfassenden melodischen Figur. Außerdem verwandelt er es auch rhythmisch erneut. Aber er wiederholt das Motiv mehrfach, oft sogar, wendet es von Moll nach Dur, und nutzt es zum Aufbau eines Spannungsbogens, der seine Energie letztlich auch aus der wie auch immer bewussten Erinnerung heraus bezieht, dass dieses Motiv schon zu Beginn im Spiel war.

John Eliot Gardiner dirigiert den 4. Satz aus Robert Schumanns 4. Symphonie.

Übrigens: In der revidierten Fassung ist das Anfangsmotiv aus dem Kopfsatz in einer Dur-Variante plötzlich auch im schnellen Teil zu hören – als Antwortfigur in den Streichern, die es vorher so schlicht nicht gibt – vergleich doch mal im Video direkt über diesem Absatz ab Minute 1:19 gleich mit dem Beginn des Videos hier unten (viel Spaß dabei!):

Heinz Holliger dirigiert die revidierte Fassung des Finales aus Schumanns Vierter.

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