Der Februar aus Fanny Hensels Das Jahr
Fanny Hensel, geborene Mendelssohn, hat von Kindheit an eine ähnlich gründliche musikalische Ausbildung erhalten wie ihr Bruder Felix. Sie war eine virtuose Pianistin. Und komponieren konnte sie auch.
Im Unterschied zu Felix Mendelssohn Bartholdy aber war für Fanny Mendelssohn eine Laufbahn als öffentlich auftretende Musikerin nicht vorgesehen. Es war halt das 19. Jahrhundert und nicht einfach die gute alte Zeit.
Im Einklang mit damals herrschenden Normen befürworteten weder der Vater noch der Bruder eine Publikation ihrer Werke. Und auch aufgeführt wurden sie vorrangig im privaten Rahmen, in Hauskonzerten, den sog. Sonntagsmusiken.
Die hatten allerdings in Fanny Hensels Familie mütterlicherseits Tradition. Sie schufen bei genauerer Betrachtung eine Art privater Öffentlichkeit eigener Geltung. Und mit ihr verbunden war eine Aufführungssituation im häuslichen Bereich, in der Musik vielleicht vertrauter, intensiver und offener gehört werden konnte als in den anonymeren Konzertsälen der im 19. Jahrhundert führenden musikalischen Großstädte (Wien, Paris, London, Berlin, Leipzig etc.).
Es war Fanny Hensels Glück, dass ihr Ehemann Wilhelm Hensel, ein Maler, sie in ihren künstlerischen Ambitionen tatkräftig unterstützte.
Fasching!
1839/1840 unternahm Fanny Hensel mit Mann und Sohn eine Italienreise, deren Eindrücke die Komponistin dann u. a. in ihrem Klavierzyklus Das Jahr von 1841 verarbeitet hat. Jeden Monat charakterisiert Fanny Hensel darin abstrakt mit einem eigenen Stück.
Wie schön ihr Ehemann die Noten seiner Frau illustriert hat, kannst Du z. B. unter diesem Link sehen. Auf der Website des Mendelssohn Hauses Leipzig gibt es sehr gut aufbereitete, ausführlichere Informationen zu diesem Stück. Und auch die WDR Meisterstücke haben eine hörenswerte Sendung über Fanny Hensels Klavierzyklus.
Dem Februar ist wie jedem Stück aus Hensels Zyklus ein Motto vorangestellt. Hier stammt es aus Goethes Faust II. Es lautet vielsagend: »Denkt nicht, ihr seid in deutschen Grenzen / Von Teufels-, Narren- und Totentänzen; / Ein heitres Fest erwartet euch.«
Das Stück ist ein schnelles Scherzo. Und es erinnert in seinen funkelnden Terzen und der leichtfüßigen Kleinteiligkeit an Figuren aus Ouvertüre oder Scherzo zu Felix Mendelssohn Bartholdys Sommernachtstraum.
Das ist vielleicht kein Zufall: Auch in Shakespeares Sommernachtstraum, mit Mendelssohns Bühnenmusik, geht es u. a. um Rollenspiele und Verwandlungen, wie sie ähnlich z. B. im Fasching von allen, die mitmachen mögen, erwünscht sind.
Ich bin ein Faschingsmuffel und vielleicht höre ich Fanny Hensels Stück deswegen nicht als Faschingsschwank.
In seinem Witz, seiner teils orchestralen Wucht und dem zwischendurch leicht melancholischen Ingrimm erschließt sich mir dieses Scherzo stattdessen als virtuose musikalische Reflexion über Rollenbilder, die sich nicht so leicht abstreifen lassen wie ein Kostüm oder eine Perücke.
Oder vielleicht doch?