im Kopfsatz von Schuberts Streichquartett g-Moll D. 173
Ich schreibe gerade an einem Einführungstext zu Schuberts Streichquartett g-Moll D. 173. Es ist innerhalb weniger Tage entstanden, genauer gesagt vom 25. März bis 1. April 1815, und damit schon mal schneller als mein Einführungstext. Schubert hat zur Zeit dieses Quartetts komponiert am laufenden Band: Symphonien, Messen, Streichquartette sowieso, Opern auch – und Lieder, Dutzende.
Schuberts Streichquartette
Obwohl Schubert wohl insbesondere wegen seiner vielen hundert Lieder in die Musikgeschichte eingegangen ist, viele darunter berühmt, der Erlkönig zum Beispiel, hat er doch in einer Reihe von weiteren Gattungen komponiert, die ihn zu einem Klassiker in der Generation nach Beethoven gemacht haben.
Es gibt Gesänge für Frauen-, Männer- oder gemischten Chor, eine Menge Klaviersonaten, aber auch kleinere Stücke für Klavier (Impromptus, Ländler, Walzer etc.), schön sind die Klaviertrios, noch schöner wahrscheinlich das unglaublich schöne Streichquintett (Streichquartett mit zweitem Cello). .
Mit seinen geigenden Brüdern Ignaz und Ferdinand und seinem Vater am Cello spielte Franz Schubert an der Bratsche Streichquartett.
Kein Wunder, dass er bereits in ganz jungen Jahren eine Reihe von Quartettkompositionen vorgelegt hat, die meisten schon klassisch viersätzig.
Sein Streichquartett g-Moll D. 173 von 1815, Schubert wurde geboren 1797, ist bereits das neunte seiner Quartette, weitere sollten folgen, unter anderem Jahre später die mit den berühmte Beinamen (Rosamunde, Der Tod und das Mädchen).
Schuberts Quartett D. (für Deutsch-Verzeichnis) 173 ist u. a. deshalb hörenswert, weil man diesem Stück förmlich anhört, wie sich der Komponist hier allmählich von seinen Vorbildern emanzipiert.
An Mozart zum Beispiel kam natürlich auch Schubert nicht vorbei. Er schätzte u. a. dessen Symphonie in g-Moll KV 550. Aber soweit muss man zunächst gar nicht ins Detail gehen, um einen Einstieg in den ersten Satz zu finden.
Zum Streichquartett Nr. 9 g-Moll. D. 173
Dieser Kopfsatz des Quartetts D. 173 ist formal in schöner Regelmäßigkeit gestaltet: Zu Beginn gibt es ein achttaktiges Thema. Es besteht aus zwei Teilen. Und diese Teile beginnen jeweils mit einem aufsteigenden Dreiklang aus insgesamt je drei langen Tönen (zwei halbe Noten und eine punktierte halbe Note).
Nach diesen langen Tönen folgen jeweils zwei gebundene kurze und dann vier von einander abgesetzte, kurze Töne (alles Achtelnoten). Und direkt nach all diesen Achtelnoten kommt eine etwas weniger kurze (Viertelnote). Dann drei Schläge Pause.
Die ersten acht Takte sind also im Grunde aus zweimal vier Takten gebaut, die rhythmisch jeweils fast identisch funktionieren (in der ersten Version gibt es zusätzlich einen Triller auf Ton Nr. 2). Es ist eine Art Schablone mit Frage-Antwort-Charakter: Auf die ersten vier harmonisch sich öffnenden Takte antworten die nächsten vier, die die harmonische Folge schlüssig beenden.
An den folgenden acht Takten lassen sich solche Regelmäßigkeiten ebenfalls nachzeichnen. Aber handelt es sich bei diesen Takten um eine schlichte Überleitung? Oder um eine Fortsetzung des Eingangsthemas mit anderen Mitteln?
Wie auch immer man diese Fragen beantwortet: Es entsteht, denke ich, der Eindruck, dass Schubert in den genannten Achtergruppen nicht nur auf die jeweils ersten vier Takte die jeweils zweiten vier Takte antworten lässt, sondern auch auf die ersten acht die zweiten acht Takte. Die viertaktigen Einheiten reagieren also nicht nur aufeinander. Nach und nach bauen sie auch aufeinander auf, indem sie das Bilden größerer Taktzusammenhänge fördern und vorantreiben.
Die zweiten acht Takte sind zwar nicht mehr ganz so einfach zu durchschauen wie die ersten acht. Das liegt insbesondere an einem verschobenen Akzent gegen Ende diese Taktgruppe.
Aber nach den zweiten acht Takten folgen einfach nochmal acht Takte. Und falls man sich dann überhaupt nicht mehr auskennt, weil man sich verzählt hat, dann macht das eigentlich gar nichts, weil nach den dritten acht Takten einfach nochmal das Eingangsthema folgt, und das hatten wir ja genauso schon – naja, fast genau so.
Mehr, auch zu den anderen Sätzen, bei Gelegenheit…