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Unruhepuls

Das erste Klavierkonzert von Johannes Brahms

Das erste Klavierkonzert von Johannes Brahms beginnt wie der Anfang einer Wagner-Oper: schlechtes Wetter, Regen, Sturm, Blitz und Donner, raue Felsen. Auch die Stimmung könnte besser sein. Aber wer will sich schon gegen quer ins Gesicht wehenden Regen zu einem unerfreulichen Termin quälen. Dabei ist ja nicht einmal gesagt, dass wir hier festen Boden unter den Füßen haben.

Dramatisch!

Die Musik passt ganz gut zur Regieanweisung vor dem ersten Aufzug von Richard Wagners Oper Der fliegende Holländer: »Steiles Felsenufer«, so heißt es da, und weiter:

»Das Meer nimmt den größten Teil der Bühne ein; weite Aussicht auf dasselbe. Die Felsen im Vordergrund bilden auf beiden Seiten Schluchten, aus denen die Echos antworten. – Finsteres Wetter; heftiger Sturm; zwischen den Felsen selbst verliert der Wind, den man in offener See die Wogen peitschen sieht, seine Macht; nur von Zeit zu Zeit scheint das Heulen des Sturms hereinzudringen.«

Nach diesem wüsten Einstieg beruhigt sich das Orchester. Es folgt ein ruhiger Zwischenteil. Innenschau, gedankenverloren. Auch dieses Zwischenspiel würde zu einer Ouvertüre passen. Anschließend neuerlich die Schlecht-Wetter-Passage. Und nach einer sanft endenden Überleitung setzt dann das Klavier ein, ganz anders, mit einem eigenen Thema.

Das Klavierthema

Was mich an diesem Thema interessiert, ist die Art, wie Brahms darin die melodische Linie gliedert. Es ist zunächst der immer wieder gleiche oder sich jedenfalls sehr stark ähnelnde Rhythmus einer punktierten Viertelnote, der drei und dann direkt sechs Achtel folgen; unten im eingebetteten Video zu hören ab Minute 3:55.

Krystian Zimerman spielt den Kopfsatz aus dem ersten Klavierkonzert von Johannes Brahms. Sir Simon Rattle dirigiert die Berliner Philharmoniker.

Sofern Brahms nicht diesem Muster folgt, bleibt er doch bei den immer wiederkehrenden Achteln. Und die funktionieren häufig so, dass die erste von zwei Achteln den Ton der vorigen Achtel wieder aufnimmt, bevor die nächste Achtel dann einen Ton weiterschreitet. Die Abstände zwischen den Tönen sind klein, meist Sekunden oder Terzen.

Insgesamt entsteht der Eindruck eines symphonischen Wiegenliedes oder eines versonnenen Tanzes, allein oder zu zweit, fast ein Walzer. Der Satz steht im 6/4-Takt, was die Weite dieser Melodie noch einmal unterstützt. Die oben genannten Achtel kann man als 3 + 6 oder als 9 Achtel hören. Die weiten Bögen bleiben.

Zeit, Harmonie und Leichtigkeit

Durch die wiederkehrende Wiederholung des rhythmisch fast monoton strukturierten, unruhig verträumten Themas entsteht insgesamt in diesen Passagen eine fast hypnotische Musik, so als ob sich in unserer Erinnerung die rhythmischen Bausteine, obwohl sie doch nacheinander kommen, harmonisch übereinander schichten würden.

Dazu kommt, dass der melodische Bau dieses Themas, wenn man es sich laut gespielt vorstellt, bald einigermaßen schwerfällig wirken würde. Im piano, leise gespielt, wie es sich gehört, wirkt dieses Thema aber unerhört leicht. Und dabei spürt man, dass diese Leichtigkeit nicht von nichts kommt.

Über den langwierigen Entstehungsprozess dieses Konzerts schreibt Melanie Unseld hier.

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